rallentando vom 23. Februar 2022

Die Zukunft des Menschen

Das Internet ist eine der ganz grossen Erfindungen des Menschen, vielleicht ähnlich bedeutsam wie die Entwicklung des Buchdrucks durch Gutenberg oder in seinen Umwälzungen ähnlich wirksam wie die industrielle Revolution. Insofern leben wir in spannenden Zeiten, in Zeiten des Umbruchs, jeder spürt das ja.

Nun ist es so, dass wir ständig darauf hingewiesen werden, wir sollten uns davor hüten, zu viele Informationen über uns im Internet preiszugeben. Und sicher sind solche Warnungen berechtigt.

Es gibt allerdings ein paar Visionäre - vor allem im Silicon Valley -, die sind ganz anderer Meinung. Wenn es nach ihnen ginge, sollten wir möglichst viel von uns in die Datenkrake einspeisen.

Warum das so ist, erfahren Sie gleich. Sie befinden sich bei rallentando und wir beschäftigen uns heute mit der Zukunft des Menschen.
Am Samstag, 09. April werden wir zu dieser Thematik auch eine Tagung in der Kirche in Erlenbach veranstalten, an der neben anderen auch Peter Sloterdijk einen Vortrag halten wird.
Dazu sind Sie herzlich eingeladen, wie auch dazu, uns einen Kommentar oder ein like zu hinterlassen. Gleich geht es also weiter mit der Zukunft des Menschen.

Auf der Suche nach dem idealen Menschen
Die Menschen haben immer schon ein Gespür dafür gehabt, dass sie selbst noch nicht die beste Version von sich sind. Deshalb hat es auch immer schon die Sehnsucht gegeben, wir könnten irgendwie etwas Besseres aus uns machen: Solche, die weniger Leid über die Welt bringen, solche, die mehr Gerechtigkeit herstellen. Solche, die sich gegenseitig mit mehr Respekt begegnen usw.
Heute wünschten wir uns vielleicht Menschen, die eine Krise, wie die an der russisch-ukrainischen Grenze friedlich lösen. Oder solche, denen es gelingt, ihren ökologischen Fussabdruck zu verringern.

Schon das Neue Testament hat davon geträumt, dass sich einst ein neuer Mensch entwickelt. Eine Art von Mensch, der alle Mängel hinter sich lässt und so etwas wie eine Idealversion des homo sapiens abgibt.

Diese Idee ist zur Aufklärungszeit dann umformatiert worden und hat uns letztlich ein hohes Zutrauen in die Bildung eingebracht. Der Mensch, so die Idee, könne eine bessere Version von sich herstellen, wenn er alles Rohe und alle Unkultiviertheit aus sich austreibt. Und dies sei möglich durch gesteigerte Bildungsprogramme. Man träumte von einer Erziehung des Menschengeschlechts, durch die wir uns über die Generationen hinweg selbst verbessern würden. Eigentlich sind unsere Schulen das Ergebnis dieses Glaubens an die Bildung des Menschengeschlechts.

Was ist technisch möglich?
Heute gehen wir noch einen Schritt weiter, vielleicht ohne so recht zu bemerken, dass wir es tun und was wir tun.
Mittlerweile gibt es allerhand technische Möglichkeiten, mit denen der Mensch sich selbst verändern kann und tatsächlich auch verändert: Im biomedizinischen Bereich kann man die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns steigern, so dass wir uns besser und länger konzentrieren können. So dass wir mehr Informationen speichern können. So dass wir ungewünschte Erinnerungen aus unserem Gedächtnis löschen können. Und vieles mehr.

Einige der führenden Computerwissenschaftler träumen von Interfaces (Verbindungen) zwischen Computern und unserem Gehirn. Und sie meinen, es ist gar nicht in so weiter Ferne, dass wir unser Hirn mit dem Internet verbinden können. Das mag vielleicht klingen wie Musik aus einer fernen Zukunft, aber wenn Sie sich vor Augen halten, wie weit wir bei der Datenverarbeitung in den letzten 20 oder 30 Jahren gekommen sind, könnte es sein, dass sich bewahrheitet, was da behauptet wird.
Es gibt überall auf der Welt Forschung im Nanobereich, durch die man den Körper verbessert oder Alterungsprozesse aufhalten oder stoppen will. Der Traum vom ewigen Leben?
Und immer wieder wird über den Einsatz von biochemischen Substanzen nachgedacht, durch die man unmoralische Gefühle oder Aggressionen aus unserem Bewusstsein verbannen könnte.
Dies sind nur einige Beispiele für Verbesserungstechniken, an deren Entwicklung man gerade arbeitet.
Die Frage ist bloss: Was genau würde wirklich eine Verbesserung sein? Ist der Einsatz derartiger Mittel überhaupt wünschenswert? Und wenn ja: Mit welchen Zielen? Wie sollte denn der ideale Mensch aussehen, den wir da bauen würden?

Ein neuer Gott…
Vielleicht geht die Reise aber noch weiter, und der Mensch überholt sich selbst, indem er einen neuen Gott schafft. Das jedenfalls ist die Vision einiger Forscher aus dem Silicon Valley. Ray Kurzweil zum Beispiel, einer der fähigsten Köpfe im Bereich der künstlichen Intelligenz und Leiter der technischen Entwicklung bei google, stellt sich die Entwicklung eines Computers vor, der selbständig einen noch intelligenteren Computer entwirft, und dieser entwirft wiederum einen noch intelligenteren, bis ein gottgleicher Computer entstanden ist.
Dies alles geschieht selbständig und abgelöst von der menschlichen Intelligenz. Das Ereignis, ab dem die Computer fähig sind, sich selbst zu entwerfen und zu steuern, nennt man in Fachkreisen Singularität.
Wenn ein solcher Computer zum Beispiel das Internet steuert, hätte man eine Intelligenz verwirklicht, die letztlich alles wissen und alle Dinge auf der Welt auch steuern kann.
Wenn wir sodann nur genügend Daten ins Netz einspeisen, weiss das Internet zum Beispiel über Sie, wann Sie in die Stadt fahren wollen. Es schickt Ihnen ein selbstfahrendes Auto vorbei, das sie automatisch zu ihrem Zielpunkt bringt.
Sie müssten nur bereit sein, hinreichend viele Daten preiszugeben. Das Internet der Dinge wäre dann, wenn es über alle alles weiss und alle Dinge steuert, so etwas wie ein allwissender und allmächtiger Gott, der auch viel klüger ist als ein Mensch es je sein könnte.

Auch das klingt wie eine Melodie aus ferner Zukunft. Aber wir sollten uns nicht täuschen. Kurzweil sagt die Verwirklichung von gottgleichen, sich selbst steuernden Supercomputern schon für 2045 voraus.

Wir suchen nach Antworten
Was ist von alledem zu halten? Welche Zukunft haben wir? Das klären wir an einer Tagung am 09. April 2022, an einem Samstag-Nachmittag, hier in der reformierten Kirche in Erlenbach.
Um 16.30h wird an diesem Nachmittag auch Peter Sloterdijk einen Vortrag halten und mit uns diskutieren. Vom Magazin Cicero ist er gerade wieder auf den Platz 1 der 500 einflussreichsten Intellektuellen deutscher Sprache gewählt worden. Und er geht der Frage nach der Zukunft des Menschen schon seit längerem nach.
Sein Vortrag trägt den Titel: Neue Nachrichten vom asketischen Stern
Mönche - Athleten - Selbstverbesserer
Bevor Peter Sloterdijk spricht gibt es aber auch schon eine theologische Perspektive mit Harald Matern und eine biomedizinische Orientierung darüber, wie weit wir technisch schon sind. Dies mit Simone Schürle Finke und mit Armin Curt.
Sie sind herzlich eingeladen, werfen Sie doch einen Blick auf das Programm, das Sie auf den Webseiten der reformierten Kirchgemeinden Herrliberg und Erlenbach finden.