Der Mensch hat eine Welt

31Die Schlange aber war listiger als alle Tiere des Feldes, die der Herr, Gott, gemacht hatte, und sie sprach zur Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen.
 2Und die Frau sprach zur Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen. 3Nur von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: Ihr dürft nicht davon essen, und ihr dürft sie nicht anrühren, damit ihr nicht sterbt.

 4Da sprach die Schlange zur Frau: Mitnichten werdet ihr sterben.

 5Sondern Gott weiss, dass euch die Augen aufgehen werden und dass ihr wie Gott sein und Gut und Böse erkennen werdet, sobald ihr davon esst.

 6Da sah die Frau, dass es gut wäre, von dem Baum zu essen, und dass er eine Lust für die Augen war und dass der Baum begehrenswert war, weil er wissend machte, und sie nahm von seiner Frucht und ass. Und sie gab auch ihrem Mann, der mit ihr war, und er ass.

So steht es geschrieben im 3 Kapitel des Genesisbuchs. Es ist die berühmte Szene, in der die Schlange Eva dazu verführt, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Und Eva gibt sodann ihrem Mann ebenfalls von der Frucht, die klug macht und wissend und die den Menschen wissen lässt, was gut und was böse ist.

Bei Balz Baechi ist es allerdings nicht die Schlange, die die Frau überredet (Bild: Eva mit Schlange), sondern es ist Eva, die die Schlange mit ihrer Flöte zum Tanzen bringt.
Das finde ich bemerkenswert. Und es ist sehr treffend, wenn man sich überlegt, was das Wesen des Menschen ist.

Unsere Geschichte aus dem Genesisbuch berichtet ja davon, wodurch der Mensch zum Menschen wird. Uns alle (den Menschen) zeichnet es aus, dass wir – um bei den Bildern der Genesisgeschichte zu bleiben – vom Baum der Erkenntnis gegessen haben.
Anders als die Tiere haben wir die Fähigkeit, die Dinge beim Namen zu nennen. Denn anders als die Tiere müssen wir nicht jedem Instinkt unmittelbar nachgeben.
Eine Biene zum Beispiel, die einen Blütenduft wahrnimmt, muss auf die Blüte zufliegen und sodann einen Tanz in der Luft aufführen, um andere Bienen aus ihrem Stock anzulocken. Die Biene hat keine Wahl, sie muss das tun. Sie ist vollkommen fixiert auf die Blüte und darauf, ihre Stockgenossinnen anzulocken. Darüber hinaus nimmt sie nichts wahr und kann auch nichts wahrnehmen.
Sie nimmt nicht den Baum wahr, in dessen Schatten die wunderbaren Blüten gedeihen, sie nimmt nicht die Waldlichtung im Hintergrund der Szenerie wahr. Sie nimmt nicht wahr, dass im Hintergrund ein Rehkitz über diese Waldlichtung huscht. Und sie nimmt auch nicht wahr, dass zwischen den Bäumen die Silhouette der Stadt Zürich und die gläserne Fassade des Prime-Towers im Sonnenlicht erkennbar werden.

Als Gesamtbild kann das alles nur der Mensch wahrnehmen. Denn er kann sich von seinen Instinkten frei machen, kann, obwohl sie gut duftet, die Blüte als Blüte wahrnehmen ohne auf sie zustürzen zu müssen. Und deshalb kann er sie auch neben all die anderen Dinge stellen, die da sonst noch sind: Der Baum, die Waldlichtung, das junge Reh, die Stadt und ihre spiegelnden Fensterflächen.

Natürlich macht uns das mächtig. Nur weil wir diese Art der Weltwahrnehmung haben, können wir die Natur beobachten, können Zusammenhänge herstellen und können dadurch auch berechnen, was als nächstes geschehen wird.

Weil wir das alles können, können wir die Natur bezwingen und beherrschen. Diese Fähigkeit macht aus dem Menschen so etwas wie ein Zauberwesen, das Dinge vermag, die sonst kein anderes Geschöpf beherrscht.
Die Schlange weiss, dass, wer vom Baum der Erkenntnis ist, Gott sehr ähnlich wird. Der Mensch kann zauberhaft die Welt beherrschen und sie sich Untertan machen, ganz wie sie Gott Untertan ist.
Diese magische Kraft des Menschen wird in Baechis Bild ganz subtil und ein wenig ironisch zugleich angesprochen. Eva bezähmt dort eine Schlange mit der Flöte.
Natürlich ist das eine Anspielung auf die indischen Schlangenbeschwörer, die vorgeben, sie könnten Schlangen durch den Klang ihrer Musik zum Tanzen bringen. In Wahrheit – so weiss man – ist es nicht die Musik, die die Schlange betört, sondern die Schlangen folgen mit ihrem Kopf der Flöte, die sie als Gegner erkennen. Dabei wirken sie etwas unbeholfen, weil sie aus dem Dunkel des Korbes kommen und das helle Licht sie über Gebühr blendet.
Auf die eigentlich unmögliche Möglichkeit, die Natur der Schlange zu bezähmen, spielt das Bild an. Der Mensch ist der Mensch, weil er im Unterschied zum Tier wissend ist und dadurch Fähigkeiten hat, die kein anderes Lebewesen mitbringt und die ihn Gott ähnlich werden lassen.

Die Schlange steht übrigens symbolisch zugleich für die Gefahr, die die Natur für uns bedeuten kann. Durch unser Wissen beherrschen wir die Natur, aber wir sind doch nicht ganz vor ihr in Sicherheit.

Diese Ambivalenz im Umgang mit der Natur – wir beherrschen sie, aber doch nicht ganz – kommt in Baechis Bild ebenfalls zum Ausdruck: Die Schlange wird durch menschliche Kunstfertigkeit gezähmt (durch das Flötenspiel). Und doch schnappt sie nach der Verse der Frau.

Auch dafür gibt es eine biblische Vorlage. Nachdem Gott der Herr davon erfahren hat, dass die Schlange und die Frau es gemeinsam waren, die das Verbot übertreten haben, vom Baum der Erkenntnis zu essen, wendet er sich an die beiden:

14Da sprach der Herr, Gott, zur Schlange: Weil du das getan hast:
Verflucht bist du vor allem Vieh und vor allen Tieren des Feldes.
Auf deinem Bauch wirst du kriechen,
und Staub wirst du fressen dein Leben lang.

15Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau,
zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs:
Er wird dir den Kopf zertreten,
und du wirst ihm nach der Ferse schnappen.

Der Mensch ist das gefallene Tier

Seit der Corona-Krise ist die sich vermutlich anbahnende Klimakatastrophe aus dem Bewusstsein der Gesellschaft verschwunden. Insofern hat Corona ja auch etwas Entlastendes und Erlösendes.
Denn das Klimathema lag doch schwer auf unseren Seelen. Wir hatten dauernd ein schlechtes Gewissen: Beim Autofahren, beim Flug in die Ferien, beim Einkaufen auch, weil doch jedes Produkt in unserem Warenkorb den ökologischen Fussabdruck, den wir hinterlassen, vergrösserte.

Für Corona können wir nichts. Das Virus ist einfach da. Und die Gesellschaft hat mit dem Virus endlich einmal ein Thema, durch das ihr Gewissen nicht belastet wird.

Ich vermute aber, dass – sobald es uns gelingt, das Virus medizinisch in den Griff zu bekommen - sich das wieder ändern wird. Es wird dann rasch auch wieder gesellschaftsbewegende Themen geben, die unser Gewissen ansprechen und sich wie Mehltau auf unser Gemüt legen.

Das Gewissen lässt sich einfach nicht ausschalten. Und es lässt sich ja auch nicht leugnen, dass die Gesellschaft vor einer grossen Menge von grossen Problemen steht. Wir sollten weniger Ressourcen verbrauchen, wir sollten uns mehr in den Vereinen unseres Dorfs engagieren, wir sollten uns in der Flüchtlingsfrage human zeigen, und gleichzeitig sollten wir unsere Grenzen besser schützen, weil wir nicht alle Welt aufnehmen können. Wir sollten auch die Demokratie stärken, sollten verantwortungsbewusster konsumieren und vieles andere mehr.

Tatsächlich sind das alles sehr verständliche Anliegen. Aber es sind nicht die einzigen, die an unser herandringen: Auf der privaten Ebene geht es weiter. Wir sollten liebevollere Ehefrauen und -männer sein, bessere Grosseltern. Wir sollten mehr lesen, weniger Fernsehen, endlich die Steuererklärung pünktlich abgeben, uns gesünder ernähren, damit der Herzinfarkt später kommt und vieles mehr.

Das Gewissen hat uns über weite Strecken unseres Lebens viel stärker im Griff als wir es gemeinhin wahrnehmen.

Jedenfalls ist seine Stimme ständig zu hören oder zu fühlen. Es bedrängt uns immer und überall. Und das heisst im Umkehrschluss: Wir nehmen an uns selber wahr, dass wir nicht so sind, wie wir sein sollten.
Wir fliegen zu viel, engagieren uns zu wenig politisch, bringen zu wenig Mitgefühl für unsere Ehefrauen und -männer auf und auch zu wenig Zeit für unsere Enkelkinder. Und vor allem treiben wir zu wenig Sport und essen zu viele ungesunde Dinge.

Leider, und da bin ich ganz sicher, wird das nie aufhören. Es gehört zum Menschen, seit es uns gibt, dass das Gewissen uns bedrängt.

Denn wir können gut von böse unterscheiden, und durch diese Fähigkeit sind wir zugleich in grosser Not, weil wir immer und immer wieder an uns selbst erkennen, dass wir dem Ideal des Guten nicht entsprechen.

Deshalb hat der Mensch permanent ein schlechtes Gewissen. Zwar verdrängen wir es die meiste Zeit. Aber ganz weg ist doch nie. Irgendwie hätten oder haben wir ständig Grund dazu, uns zu schämen.

So auch Eva und Adam schon:

8Und sie hörten die Schritte des Herrn, Gottes, wie er beim Abendwind im Garten wandelte. Da versteckten sich der Mensch und seine Frau vor dem Herrn, Gott, unter den Bäumen des Gartens.

 9Aber der Herr, Gott, rief den Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du?

 10Da sprach er: Ich habe deine Schritte im Garten gehört. Da fürchtete ich mich, weil ich nackt bin, und verbarg mich. 

In den Bildern von Balz Baechi wird dies alles mehrfach und unterschiedlich thematisiert: Eva versteckt den Apfel hinter dem Rücken (Bild mit der schwarzen Eva und dem Apfel). Sie schämt sich dafür, dass sie gut und böse voneinander unterscheiden kann. Denn mit dieser Fähigkeit scheint ihr zugleich ihre eigene moralische Unzulänglichkeit auf.
Diese schwarze Eva mit dem Apfel ist ja überhaupt eine eigentümliche Figur. Man erkennt ihre Gesichtszüge nicht oder nicht genau. Der Betrachter des Bildes kann sein eigenes Gesicht, seine eigene Persönlichkeit dort einsetzen. Wir sind diese Eva, die den Apfel verbirgt, die sich ihrer Nacktheit schämt, die sich ihrer eigenen Unzulänglichkeit bewusst ist.

Der Mensch ist gefallen, so hat die christliche Tradition das Bewusstsein der moralischen Unzulänglichkeit immer in Worte gefasst. Adam fällt auch auf dem Bild von Balz Baechi (Adam-Bildnis). Auf dem Bild ist tatsächlich der schon wissende Adam abgebildet. Er hat lauter Dinge um sich herum – anders als das Tier also eine Dingwelt. Wer vom Baum der Erkenntnis gegessen hat, kann eben zugleich auch gut von böse unterscheiden und ist deshalb gefallen, weil er weiss, dass er nicht durch und durch gut ist.

Das schlechte Gewissen also plagt uns. Wir können es höchstens verdrängen, aber abschütteln können wir es nicht dauerhaft.
Ab und an kommt Erlösung. Ich meine echte Erlösung, also eine solche, durch die das schlechte Gewissen wirklich verschwindet und nicht nur verdrängt wird oder vergessen wie jetzt in der Covid-Krise.
Erlösung von dem schlechten Gewissen gibt es nur, durch Verzeihung und Vergebung. Anders kann es sie nicht geben. Das schlechte Gewissen eines Grossvaters, der sein Enkelkind vernachlässigt hat, ist erst und nur dann erlöst, wenn das Grosskind ihn trotz seiner Versäumnisse umarmt und ihm zusagt, dass es dennoch gut so ist, wie es ist. Erlösung von dem schlechten Gewissen gibt es also nur durch Zusprache, durch Rechtfertigung des Menschen, die ihm ein anderer oder eine andere zusagen muss.

Das ist übrigens einer der Kernbotschaften des Neuen Testaments. Ja, es ist eine der Kernbotschaften Jesu Christi. Er ist derjenige, der den Menschen Verzeihung und Vergebung, nicht Verurteilung zugesagt hat.

Bei Baechi findet sich vermutlich auch deshalb eine Eva, die einen Fisch bei sich hat, der das Zentralsymbol für Christus ist (Bild der Eva mit dem Fisch). Dieselbe Eva hat ein Buch in ihrem Schoss. Es könnte die Bibel sein. Vielleicht hat sie folgende Stelle aus dem 8. Kapitel des Johannesevangeliums:

(Die) Schriftgelehrten und die Pharisäer (bringen) eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden ist, stellen sie in die Mitte 4und sagen zu ihm: Meister, diese Frau ist beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt worden. 5Im Gesetz aber hat Mose uns vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Du nun, was sagst du dazu?

 6Dies sagten sie, um ihn auf die Probe zu stellen, damit sie einen Grund hätten, ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7Als sie immer wieder fragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie!

 8Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9Sie aber hörten es und entfernten sich, einer nach dem anderen, die Ältesten voran, und er blieb allein zurück mit der Frau, die in der Mitte stand. 10Jesus aber richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie? Hat keiner dich verurteilt? 11Sie sagte: Keiner, Herr. Da sprach Jesus: Auch ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr!

Der Mensch entdeckt sich in der Spätmoderne noch einmal neu

Das 20. Jahrhundert liegt hinter uns, und doch scheint seine Zeit noch nicht abgeschlossen zu sein. Es ist uns noch zu nahe. Und es war in vielerlei Hinsicht auch zu eindrücklich und zu einprägsam als dass es so rasch in Vergessenheit geraten könnte.
Der Mensch hat in diesem zurückliegenden 20. Jahrhundert viele Leistungen errungen. Aber er hat auch viel Schuld auf sich geladen.

Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Ideologien gewesen, die sich gewaltsam entladen haben. Es sind Ideen des menschlichen Geistes gewesen, die die Körper regiert haben. Nationalistische Ideen, nationalsozialistische Ideen, kommunistische Ideen, liberale Ideen leider auch. Diese Ideen haben Besitz genommen von den Körpern, haben Soldaten marschieren lassen. Das 20. Jahrhundert hat auf diese Weise ungezählte Verbrechen begangen. Menschen haben unzählige andere Menschen ermordet – um der Ideen willen.

Der deutsche Nationalsozialismus war neben vielen anderen Verbrechen das wohl schlimmste des 20. Jahrhunderts. 1945 lag die Welt in Trümmern. Und mit der Welt lag auch das gesamte Menschenbild in Trümmern. Denn es wurde nun allzu klar, dass der Mensch durch seine Geisteskraft nicht einfach nur das Gute und einen Fortschritt zum Wohl der Welt erzeugt. Das war noch das Menschenbild der Aufklärung, es hatte ganz offenbar mir der Realität nichts zu tun.

Ja, im Jahr 1945 war allen klar, dass der Mensch es fortwährend mit seiner Schuld zu tun hat. Da war also wieder augenscheinlich, was seit Adam und Eva klar ist: Wir sind gefallene Menschen.

Wie gesagt: Denn grossen Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts lag eine Grundstruktur zu Grunde, nach der eine Idee des Geistes den Körper in Gang setzt und ihn zu gewaltsamen Handlungen bringt, um diese Idee des Geistes durchzusetzen.

Es ist eine These von Balz Baechi, dass es daraufhin eine Reaktion im Selbstverständnis des abendländischen Menschen gegeben hat. Folgt man dieser These, ist es gelungen (oder zumindest zum Teil gelungen), die verheerende Struktur zu überwinden, nach der der Geist den Körper regiert – diese Struktur war ja dafür verantwortlich, dass die Ideologien des 20. Jahrhunderts sich gewaltsam durchsetzen konnten.

Baechi ist der Überzeugung, dass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die Zweiteilung des Menschen in Körper und Geist verabschiedet hat. Der Mensch besteht danach nicht aus Geist und Fleisch. Sondern beides ist in einander verflochten.
Körper und Geist gehören zusammen. Die Philosophiegeschichte hat diese These seit den späten 50er Jahren auch vertreten. Wir sind, so haben die grossen Denker dieser Bewegung gesagt, nicht zweigeteilt, sondern ein Mischwesen. Wir sind weder Körper noch Geist, wir sind ein Leib (M. Merleau-Ponty, H. Schmitz u.a.).

Und das bedeutet: Was der Geist denkt, ist eben auch abhängig von seiner leiblichen Verfassung. Und umgekehrt. Es ist das eine ohne das andere nicht zu haben. Der menschliche Körper ist kein geistloses Stück Fleisch. Und der menschliche Geist ist ohne seine leibliche Verfassung nicht denkbar. Wir denken an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, weil wir durch unsere Leiber an den Ort und an die Zeit gebunden sind und in ihnen präsent sind.

Baechi ist der Überzeugung, dass wir diese Einsichten zu grossen Teilen der Frauenemanzipationsbewegung zu verdanken haben. Sie hat das Thema der Leiblichkeit entdeckt. Der Körper der Frau ist eben nicht in erster Linie ein Sexualobjekt, sondern ein geistbegabter Leib.

Vielleicht ist das Bild in der Mitte (liegende Eva) am sprechendsten für diese Sicht Baechis. Es zeigt eine entblösste Eva. Aber da ist eben gerade nicht bloss ein Frauenkörper zu sehen, sondern ein Leib, ein ganzheitliches und geistbegabtes Wesen. Dieser neue Blick auf die Frau ist, so Baechi, wenn man es recht versteht, ein neuer Blick auf den Menschen überhaupt.

Ob diese Sicht auf den Menschen uns davor bewahrt, die Greueltaten des 20. Jahrhunderts in neuem Gewand erneut zu begehen, ist natürlich noch offen.
Wer sich die gegenwärtige Weltlage ansieht, dem kann ja angst und bange werden: Neuer Nationalismus, neue Rivalitäten zwischen Grossmächten, in vielen Ländern neue Spaltungen in der der Gesellschaft.

Vielleicht bewahrt uns das leibliche Menschenbild davor, dass Menschen einander erneut die Gewaltexzesse des 20. Jahrhunderts antun. Denn ein Leib ist darauf angewiesen, dass er auch leiblich leben kann und nicht einer Idee zum Opfer fällt.

Zu hoffen wäre jedenfalls, dass es gelingt. Vielleicht hilft, wenn alle Worte schon nicht helfen mögen, auch ein Blick auf Bilder wie dieses, das sie in der Mitte des Kirchenchores sehen.